8 Kommentare
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Avatar von Gabi Hildesheimer

Liebe Clara –

Vielleicht haben wir gleichzeitig geweint? Vielleicht aus dem gleichen Grund, aber mit einem anderen Auslöser?

Nach über zehn Jahren selbstgewählter Abstinenz war ich wieder einmal an einem Green Economy Symposium. Ich hatte mir schon gedacht, dass es nicht lustig werden würde, aber es war dann trotzdem überraschend schrecklich. Ich habe mir einen Tag lang Referate angehört über Erfolge der nachhaltigen Wirtschaft. Tolle Berichte über wirklich schöne Fortschritte. Aber ich musste mir den ganzen Tag das Weinen verkneifen: Alles genauso wie vor zehn Jahren, vor zwanzig Jahren, alles super (na ja, vielleicht nicht ganz alles), aber...

Aber die Belastungen in eben diesen Bereichen – Energie, Mobilität, Biodiversität, Ernährung etc. – sind in diesen Jahrzehnten leider immer nur grösser geworden. Ja, es wäre bestimmt alles noch schlimmer, wenn es nicht diese Schritte zu mehr Nachhaltigkeit gegeben hätte. Ich habe die Referierenden gefragt, ob sie glaubten, dass wir auf die planetaren Herausforderungen angemessen reagieren, dass wir die Transformation schaffen. Die einen sagten: ja, das kommt schon noch, Innovation ist nicht vorhersehbar. Andere drucksten herum: was sollen wir denn sonst machen? Besser ein Vegi-Tag als nichts. Oder so.

Es hat mir dann leidgetan, dass ich Menschen, die weniger frei sind als ich, in Verlegenheit gebracht habe. Mein Privileg ist, dass ich alt bin und nicht mehr gross Geld verdienen muss. Da lässt es sich leicht kritisieren, dass andere halt das Spiel mitmachen und in der Logik der Wirtschaft, wenn vielleicht auch auf der besseren Seite, das System erhalten.

Den Tatsachen so direkt ins Gesicht zu schauen, wie du das tust, hat einen hohen Preis. Das beschreibst du sehr genau. Du bist nicht mehr Teil unserer tollen Konsumgesellschaft. Und die Alternativen müssen wir zuerst bauen, vom Kleinen zum Grossen. Ich hoffe von Herzen, dass das klappt und schön wird.

Abends auf dem Weg zum Bahnhof musste ich dann eben weinen. Es hat stark geregnet und darum fiel es nicht auf.

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Avatar von Nicola

Danke, liebe Clara, so schön dass auch andere auf dem gleichen Weg sind <3 Herzgruss aus der Schweiz, unbekannterweise. Nicolá

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Avatar von Thomas Heilmann

Liebe Clara

Der Anfang Deines Artikels war ein ziemlicher Schock und hat mich traurig gestimmt. Aber Marionna, die Du ja auch kennst, hat am letzten Freitag am Zürcher Klimastreik - leider ein eher niederschmetterndes Ereignis- bemerkt, dass der desolate Zustand der einst gross(artig)en Bewegung nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen ist, dass die vielen jungen Teilnehmer:innen keine Erfahrung mit Niederlagen gehabt hätten. Überrissene Erwartungen sind enttäuscht worden; das hat zu einer Demobilisierung geführt. Das Bohren dicker Bretter ist eben nicht die hauptsächlichste Qualifikation einer jungen Bewegung in Aufbruchstimmung. Dass nicht zuletzt ökonomische Interessen sich nicht einfach durch einen Haufen netter junger Menschen beseitigen lassen, auch wenn alle guten Argumente auf deren Seite sind, muss erstmals gelernt und verdaut werden. Nach grossen Anfangserfolgen ist die Kunst des geordneten Rückzugs gefragt (wie in jedem Guerillakrieg). Die Klimaziele werden wohl nicht erreicht; aber daraus zu schliessen, dass sie deswegen falsch seien, wäre ein fataler Trugschluss. Du hast recht am Schluss Deines Textes, dass nach wie vor jede Tonne CO2 zu vermeiden ist. Die richtige Einsicht, dass wir uns für den Schutz vor den sehr wahrscheinlich katastrophalen Auswirkungen einer Verfehlung der Klimaziele, die ja jetzt schon sichtbar sind, stark machen müssen, darf nicht dazu führen, dass diese Schutzmassnahmen an Stelle der Vermeidung von CO2-Ausstoss treten, was sich ja heute schon abzeichnet.

Und: wo ist die Grenze zwischen dem Rückzug auf die kleinen, überschaubaren Gruppen, in denen wir uns gegenseitig Gutes tun, und den Preppers?

Übrigens erinnert mich dieser tröstliche Rückzug sehr an P.M. berühmtere „bolobolo“ aus den 80er Jahren. Ist ja wirklich okay. Aber genügt nicht und ist noch weniger mehrheitsfähig, als es die Klimabewegung war. Aber Mehrheitsfähig zu werden ist in einer Demokratie notwendig, jedoch sehr wahrscheinlich auch eine langwierige Sache. Die Mühen der Ebene eben, wie Brecht meinte, die schwerer sind als euphorische Gipfelsiege ( nach denen unweigerlich der Abstieg kommt, wäre beizufügen).

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Avatar von Carmen Winter

Danke für diesen Beitrag. Ich denke auch, dass das Leben in überschaubaren Gemeinschaften, die sich gegenseitig unterstützen, das ist, was wir Menschen brauchen.

Ich unterstützte einen Imker hin und wieder mit etwas Geld. Er weiß, dass der eigentliche Nutzen der Bienen nicht der Honig ist sondern das Bestäuben. Leider wird kein Imker dafür bezahlt. Ich kümmere mich um meinen Garten und lasse wachsen, was wachsen will, pflanze Bäume.

Ich höre nicht auf, Gedichte zu schreiben.

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Avatar von Kathrin Schrader

Bin gerade am Verzweifeln mit dieser App, weil ich schon zweimal versuchte, einen Kommentar zu hinterlassen und er immer wieder verschwindet...

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Avatar von Clara Vuillemin

Das ist doof, tut mir leid! Und ich kann wohl auch nicht helfen, außer sagen: diesen Kommentar sehe ich.

Ich habe selbst schon die Erfahrung gemacht, dass Substack mit Firefox sehr schlecht funktioniert. Aber wenn ich dich richtig verstehe, bist du in der App aufm Phone.

Bitte versuchs weiter und wenns gar nicht geht,antworte auf die Mail, dann sehen wenigstens Peter und ich, was du schreibst. Wäre schade, wenn deine Gedanken keinen Weg in die Welt fänden.

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Avatar von Kathrin Schrader

Ich freue mich auf jeden Fall, Dich durch Carmen Winter gefunden zu haben und danke Dir für diesen ehrlichen, guten Bericht, mit einem Super Buchtipp unf für mich ermutigenden Gedanken.

Ich bin auch sehr deprimiert, weil immer deutlicher wird, dass der größte Teil der Menschheit von wenigen Milliardären abgehängt wird. Nun erwischt es auch die Europäer:innen. Bisher konnten wir hier die Folgen von Neoliberalismus und Imperialismus ausblenden. Nein, es wird nicht die gesamte Menschheit untergehen. Die Milliardäre werden uns rechtzeitig aus dem Weg räumen, bevor wir den gesamten Planeten versaut haben.

Aber ihr Plan wird nicht aufgehen. Es werden viele sterben, ja, aber nicht alle, wenn wir diese Netzwerke der gegenseitigen Hilfe und Rettung aufrecht erhalten, solange es geht. Darauf müssen wir uns konzentrieren. Wenn wir die Geschichte betrachten, wurde der Faschismus am Ende immer besiegt und nie gelang es, die Bevölkerungsgruppen, die aussortiert waren, völlig zu vernichten.

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Avatar von Carmen Winter

Ich übe hier auch noch.

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